COP30 – Zwischen Geschichten, die Mut entfachen und Geschichten, die Herzen brechen

Blogpost von Svenja Akwaba, Teilnehmerin der Generation GreenFaith – Im Original verfasst für Christians for Future.

Sobald ich in Belém ankam, schlug mir die drückende, schwüle Hitze der Stadt im Amazonas Regenwald entgegen. Die erste Woche der Weltklimakonferenz war bereits vorbei und ich schloss mich einer Gruppe von Christinnen und Christen aus der ganzen Welt für Woche zwei an. Weil ich das Projekt Blooming Desert zu Natur- und Klimaschutz in ländlichen Kirchengemeinden in Kenia leite, komme ich mit großem Interesse an bestimmten Themen: glaubensbasierte Ansätze und Perspektiven im Klimaschutz, Afrika, die Gemeinde- und Grassrootslevel sowie Naturschutz und immer wieder die Geschichten von Menschen. Zudem war ich auch als Teil sowohl von der A Rocha Familie als auch von Greenfaith vor Ort.

Wir wohnten auf einem kleinen Boot. Dort waren wir insgesamt 24 Leute, die sich hier auf engstem Raum begegneten. Christ*innen aus den USA, Brasilien, Südafrika, Hongkong, Singapur, England, Irland, Schottland und Deutschland. Während die hohen Temperaturen draußen langfristig kaum erträglich waren, liefen die Klimaanlagen auf dem Boot auf Hochtouren, was nicht von uns allen gutgeheißen wurde. Gott, lass recycelte, müffelnde Luft, die die Temperaturen um 15°C senken und uns frösteln lassen, nicht zur ständigen Realität werden, während es sich draußen immer mehr aufheizt! Trotz des engen Raums haben wir Glück mit dem Boot, das uns von der Bibelgesellschaft Brasiliens zur Verfügung gestellt wurde. Viele Andere mussten verrückte Preise für die begrenzten Unterkünfte bezahlen oder konnten erst gar nicht anreisen. Und obwohl dadurch viele Menschen ausgeschlossen wurden, wurde anderen durch diesen Standort erst der Weg zur COP30 gewährt: die indigene Bevölkerung. Viele von ihnen reisten mit Booten aus den Nachbarländern an, wobei sie unterwegs stetig mehr wurden, bis sie Belém erreichten. Ähnlich fühlte es sich auch in Zug, Bus, Auto, zu Fuß oder im Flugzeug an.

Delegation auf der COP30

Wie auf einer Pilgerreise

Wie auf einer Pilgerreise kamen auch hier immer mehr Menschen zusammen, angetrieben von Erfahrungen von Verlust, Zerstörung und Angst vor großen Entscheidungen, die fatal für die Zukunft vieler Teilnehmenden sein könnten, aber auch angetrieben von Hoffnung, einem starken Gemeinschaftssinn und dem Wunsch, etwas zum besseren zu bewegen. Das wurde auch bei der großen Demonstration spürbar, bei der sich 70.000 Menschen aus der ganzen Welt zusammenschlossen. Ein lebhafter, gemeinschaftlicher und hoffnungsvoller Umzug verschiedenster Menschen, der sich scheinbar unendlich durch die Straßen der Stadt erstreckte, und ich mittendrin. Diese Demo war so ganz anders als alle, die ich bisher erlebt habe, fast schon ein spiritueller Moment. Gläubige trugen hier ihren Glauben auf T-Shirts und Flaggen; Baptist*innen, Methodist*innen, Evangelikale, Anglikaner*innen, Jesuiten, Franziskanermönche, Katholik*innen, Quaker, Lutheraner*innen, Priester, Pastor*innen, aber auch Sikh, Muslim*innen und eine beeindruckende Anzahl indigener Menschen. Hier war der Glaube nichts Kleingedrucktes, das versteckt wurde, sondern für viele der Grund, hier zu sein und für ein Himmel auf Erden einzustehen. Trotz der sengenden Hitze wechselten sich verschiedene traditionelle Gesänge und Protestrufe ab, zu denen ausgelassen getanzt wurde und für viele für uns war klar, Gott ist hier mit uns.

Indigene Proteste in Belém

Dann ging die Konferenz für mich los, ein überwältigender Ort voller Menschenmassen, etlichen Veranstaltungen gleichzeitig und einer Fachsprache, an die man sich erst gewöhnen muss. In der grünen Zone wurden Vorträge und Workshops für die Öffentlichkeit angeboten. Hier verkauften viele Bewohner*innen der Gegend auch ihre lokalen Produkte.

Die blaue Zone war exklusiv für diejenigen, die den UN COP30 Ausweis besaßen. Hier fanden all dieVerhandlungen und Pressekonferenzen statt, Länder und Organisationen haben hier ihre Pavillons und es gibt zahlreiche Vorträge und Workshops zu den verschiedensten Themen.

Gemeinschaftssinn

Mich zog es vor allem zu den Nebenveranstaltungen. Dort teilten betroffene Menschen Erfahrungsberichte sowohl von den Dürreperioden, Fluten, Ölbohrungen und Vertreibungen als auch von Best Practice-Beispielen und neuen Ideen, wie mit solchen Umständen umgegangen wird. Habe ich vorher eine sehr formale Konferenz mit Anzügen, distanzierten Reden und unverrückbaren Meinungen erwartet, so wurde ich hier positiv überrascht. Wie in einem Bienenstock summte hier das Leben und es herrschte ein starker Gemeinschaftssinn.

Auch ist es keineswegs distanziert. In Reden und Erfahrungsberichten schwangen auch immer die Emotionen mit, steckten uns alle an. Als indigene Frauen ihre Erfahrungen in Nord- und Südamerika teilten, wurde die Stimmung betroffen und schwer. Und das darf sie, wir sollten betroffen sein. Gott, lass uns nicht aufhören, betroffen zu sein. In dieser Betroffenheit stimmte eine Frau der Ponca Nation ein traditionelles Lied an. Es trug so viel Schmerz in sich und war gleichzeitig sehr kraftvoll. Kaum ein Auge blieb trocken und gab so dem gemeinsamen Schmerz Ausdruck. Ähnlich dazu stimmten wir auf unserem Boot morgens Klagelieder an, ein Teil der christlichen Tradition, der so wertvoll ist und doch leider aus so vielen Kirchengemeinden verschwunden ist.

Das Boot unserer Gruppe

Regenwald

Keinen Platz am Tisch?

Ein Thema, das sehr präsent in den Gesprächen, Vorträgen und Reden war, war der Ruf nach einem Platz am Tisch. Viele der indigenen Teilnehmenden der COP waren zwar die oft betonte glückliche Minderheit, die einen COP-Ausweis erhalten hat und so die blaue Zone betreten darf, doch erlaubt es ihr Status als Beobachter*innen es ihnen nicht, an den Verhandlungen teilzunehmen, an denen über ihre Zukunft und die vieler anderer entschieden wird.

Immer wieder wurde daher der Satz aufgegriffen „Wenn wir keinen Platz am Tisch haben, dann stehen wir auf der Speisekarte der Mächtigen“. Andere stellten bereits klar „Wir fragen schon gar nicht mehr nach einem Platz an dem Tisch, der uns ausschließt“. Stattdessen wird ein neuer, ein inklusiver Tisch geschaffen, an dem jeder und jede seinen Teil beitragen kann, und vor allem gehört wird. Dieser neue Tisch heißt Mutirão, ein brasilianisches Konzept der freiwilligen Zusammenarbeit für das Gute, das nun als diplomatisches Prinzip bei der COP anerkannt ist. An diesem Tisch spielen Kultur und Glaube zum ersten Mal eine zentrale Rolle in den Klimagesprächen. Und während ich den feurigen Reden in den Plenen zuhörte, dachte ich mir „Hier ist der Ort der Träume“, ein Ort, der Menschen zusammenbringt und an eine gemeinsame Zukunft glauben lässt. Für viele Teilnehmende hier ist klar „Wenn wir es uns nicht erträumen können, können wir es nicht erreichen“. Doch sobald einige Landesvertreter*innen ihre Zettel monoton vorlasen, merkte ich auch, „Hier ist der Ort, an dem Träume einschlafen“. Das merkten wir leider auch an den Ergebnissen der Verhandlungen, die durch einige Entscheidungsträger enttäuschend ausfielen.

Doch der Entschluss zum Divestment der Kirchen aus fossiler Energie ist eine vieler Erinnerungen, wir sind nicht passive Teile untergeordnet unter passiven Regierungen, sondern Organisationen, Institutionen, Initiativen, Städte, Dörfer, Familien, Kinder Gottes, die auch selbstständig Veränderung bewirken können und da Druck aufbauen können, wo Jesus Tische umgeworfen hätte.

Auf einmal ergibt es für mich Sinn, dass Gott uns verspricht, uns einen Tisch zu bereiten im Angesicht unserer Feinde. Im Angesicht, auf Augenhöhe, mit Mitspracherecht. Daran möchte ich festhalten.

Reverend Fletcher Harper, Executive Director GreenFaith Inc., und Svenja Akwaba

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